Ein Bericht über die „Soziale Pedale 2019“ von Wilhelm Bock, NaturFreunde Bremerhaven
„Soziales Wandern“ ist vielen NaturFreund*innen ein Begriff: Das heißt so viel wie gemeinsam wandern und dabei über gesellschaftliche Realität nachdenken – in der Natur, wo alle Sinne geschärft sind.
Die Idee der Sozialen Pedale ist davon abgeleitet. Jedes Jahr werden bei einer einwöchigen Radreise Natur und Gesellschaft im wahrsten Sinne des Wortes erfahren. Die Soziale Pedale ist mehr als eine Radtour: Sie regt zum Denken an. An besonderen Orten suchen die Teilnehmer*innen Antworten auf Fragen, die die Gesellschaft bewegen.
Dieses Jahr fand die vom NaturFreunde-Regionalverband Nord organisierte Tour vom 17. bis 25. August statt und führte die Teilnehmer*innen in die Region am Niederrhein. Wilhelm Bock von den NaturFreunden Bremerhaven, der die Tour gemeinsam mit Rainer Kuhlen von den NaturFreunden Moers leitete, berichtet:
Sonnabend
Die 23 teilnehmenden NaturFreund*innen kommen auf dem Campingplatz Bremer in Xanten-Ursel an, die individuellen Schlafplätze und das Gemeinschaftszelt werden aufgebaut.
Sonntag
Die „Soziale Pedale 2019“ beginnt, wie die „Soziale Pedale 2018“ in Bremerhaven endete: mit Regen. Wir verschieben deshalb unsere erste Erkundungstour in die Umgebung auf den Nachmittag.
Rainer und ich begrüßen zunächst im Gemeinschaftszelt die angereisten Teilnehmer*innen. Wir erläutern das Programm der Woche, die unter dem Motto „Kies – Kohle – Römer“ steht, Organisatorisches wird geklärt.
Schließlich zeigen wir uns optimistisch und fahren mit dem Auto nach Xanten. Und tatsächlich, kurz vor Beginn unserer Stadtführung hört der Regen auf – und kommt bis zum Ende der Woche nicht wieder. So können wir nach der Tour durch Xanten noch mit dem Fahrrad um den Xantener Nord- und Südsee fahren.
Zurückgelegte Strecke: 22,4 km
Montag
Heute steht der Archäologische Park Xanten, kurz APX, auf dem Programm. Der Weg dorthin gibt uns Zeit, uns ausgiebig mit dem Leben der Römer und ihrem Einfluss auf das Gebiet am Niederrhein zu beschäftigen. Wir bekommen eine Führung durch das Römermuseum und wandern durch den archäologischen Park mit seinen Ausgrabungen und Rekonstruktionen von römischen Häusern, dem Amphitheater und anderen Anlagen. Die Fläche der ausgegrabenen Römerstadt Colonia Ulpia Traiana ist größer als die der danebenliegenden alten Stadt Xanten. Die Teilnehmer*innen sind sichtlich beeindruckt.
Zurückgelegte Strecke: 13,5 km
Dienstag
Wir fahren zur Bislicher Insel, die heute keine Insel mehr ist. Der Rhein hat hier im Laufe der Zeit mehrfach seinen Verlauf geändert. Nach dem Besuch des Naturforums wandern wir mit dem Ranger durch das Naturschutzgebiet. Er erklärt uns die negativen und positiven Begleiterscheinungen der in diesem Gebiet stattfindenden Kies- und Steinsalzgewinnung sowie die gegensätzlichen Interessen des Naturschutzes und der Landwirtschaft.
Zurückgelegte Strecke: 29,8 km
Mittwoch
Der Mittwoch steht ganz im Zeichen des Radfahrens. Zwischen Xantener Nord- und Südsee und dem Rhein fahren wir den größten Teil des Weges auf dem Rheindeich. In Reeserschans setzen wir mit der Fähre über in die Stadt Rees. Wir machen am Markt Pause, bevor wir auf der rechten Rheinseite auf dem Kometenradweg zurückfahren. Hier sehen wir noch einmal ganz besonders deutlich die Auskiesungen am Rheinufer mit den Auswirkungen auf die Landschaft.
Zum Abendessen gibt es heute ein kulinarisches Erlebnis: Schüttelsuppe. Jede*r Teilnehmer*in gibt eine Konservendose ab, die Heiko dann in seinem mitgebrachten Kessel mit einem Holzfeuer zu einem ungewöhnlichen, aber durchaus schmackhaften Mahl zubereitet.
Zurückgelegte Strecke: 43,9 km
Donnerstag
Heute müssen wir auf das Auto zurückgreifen: Wir fahren mit dem PKW und unseren Fahrrädern im Gepäck zum Oermter Berg. Von hier aus starten wir unsere Tagestour nach Kamp-Lintfort, wo wir den bergmännischen Lehrstollen der Zechen „Friedrich Heinrich“ und zum „Haus des Bergmanns“ besuchen. Hier wird uns die schwere und gesundheitsschädigende Arbeit der Bergmänner nähergebracht. Wir bekommen auch spannende Einblicke in das Leben in einer Bergarbeitersiedlung in den 1920-er und 30-er Jahren.
Zurückgelegte Strecke: 21,2 km
Freitag
Der Landschaftspark Duisburg-Nord ist unser heutiges Ziel. Wir fahren zur Halde „Rheinpreußen“ in Moers, auf der das Kunstwerk einer großen Grubenlampe steht, eines Wahrzeichens für das Ruhrgebiet. Rainer hat sich um einen Schlüssel gekümmert und so können wir das Kunstwerk selbstständig besteigen. Leider ist das Wetter für eine gute Sicht über das Ruhrgebiet zu diesig. Entschädigt werden wir bei der Hüttenführung, bei der wir bei bester Sicht über eiserne Leitern fast die Spitze des Hochofens erklimmen. Jetzt ist auch die Grubenlampe zu sehen. Uns werden die Entstehung des Landschaftsparks und die dahinterliegende Idee erläutert. An diversen Stationen erfahren wir die Funktionsweise des Ofens und wie sich die Arbeit der Hüttenwerker darstellte.
Zurückgelegte Strecke: 30,7 km
Sonnabend
Der letzte Tag mit dem Besuch von Louisendorf ist für uns noch einmal eine ganz andere Art von Begegnung mit dem Niederrhein. Louisendorf ist eines von drei Dörfern, in dem noch in pfälzischer Mundart gesprochen wird. Der Dorfvorsteher erklärt uns, dass hier 1741 auswanderungswillige, protestantische Pfälzer*innen gestrandet sind, weil sie ohne die erforderlichen Papiere nicht in die Niederlande einreisen durften. In ihrer hoffnungslosen Lage baten sie um Hilfe durch die preußische Kriegs- und Domänenkammer. Sie bot den Pfälzer Emigrant*innen die Gocher Heide als Siedlungsgebiet an, wo sie Pfalzdorf, Louisendorf und Neulouisendorf gründeten.
Zurückgelegte Strecke: 44,5 km
Sonntag
Wir verabschieden uns vom Niederrhein und treten unsere Heimwege an.
Eine Woche lang waren wir jeden Tag mit dem Rad unterwegs, sind insgesamt 206 Kilometer gefahren, haben unseren Horizont erweitert und viele gesellige Stunden zusammen verbracht.
Rainer und ich möchten uns bei allen Teilnehmer*innen der „Sozialen Pedale 2019“ für das tolle Miteinander in dieser Woche bedanken.
Die „Soziale Pedale 2020“ ist übrigens schon in Planung: Dieses Mal wird es in den Großraum Hamburg gehen.
Wilhelm Bock
NaturFreunde Bremerhaven