Ein Beschluss des 31. Bundeskongresses der NaturFreunde Deutschlands
Bereits heute sind die Folgen des Klimawandels deutlich zu spüren. Wenn es nicht gelingt, zu einem schnellen und konsequenten Umbau der heutigen auf Kohlenstoff basierenden Gesellschaften zu kommen, werden sich die Folgen des sich beschleunigenden Klimawandels für die Ökosysteme und die menschliche Gesellschaft dramatisch verschärfen.
In der Sahelzone, den Küstengebieten Südostasiens oder in den vielen Regionen Südamerikas werden die Folgen des Klimawandels zu riesigen gesellschaftlichen und ökologischen Verwerfungen führen. Obwohl gerade diese Regionen in den letzten 150 Jahren kaum Treibhausgase in die Atmosphäre eingebracht haben – anders als die Staaten Europas und Nordamerikas – werden die negativen Folgen der Klimakrise dort am stärksten zu spüren sein.
Der heutige Klimawandel ist nicht allein eine Ursache von Ungleichheit, aber er wird die bestehenden Ungleichheiten zwischen Nord und Süd sowie Armen und Reichen deutlich verstärken. Kinder und Jugendliche sind besonders betroffen und müssen mit heute getroffenen Entscheidungen leben. Der dramatische Klimawandel ist Folge einer auf Ausbeutung von Menschen und Natur ausgerichteten Wirtschaftsweise und ist eng verbunden mit der über 500 Jahre alten Geschichte des europäischen Kolonialismus, seiner zerstörerischen Gewalt, wirtschaftlichen Ausbeutung und Unterdrückung, die bis heute als koloniale Kontinuitäten fortbestehen. Durch die neoliberale Wirtschaftspolitik der letzten 50 Jahre wurde die Klimakrise massiv verstärkt.
Schon in der Vergangenheit haben die gesellschaftlich bessergestellten Gruppen aktiv dafür gestritten, dass ihre Wohnorte und Arbeitsplätze möglichst frei von Schadstoffen wie Radioaktivität, Müll und Gift, Lärm, Luft- und Wasserverschmutzung bleiben. Durch ihren gesellschaftlichen Einfluss konnten sie meist erreichen, dass Mülldeponien, umweltzerstörende Produktionsanlagen, Autobahntrassen oder Atommülllager in Gebiete der ärmeren Bevölkerung, in indigene Reservate oder in ländliche, meist dünn besiedelte Regionen verlagert wurden. Häufig wurden umweltzerstörende Produktionsanlagen in die Staaten des Globalen Südens verlagert oder Müll dorthin exportiert.
Die zunehmende Klimakrise wird bestehende Ungerechtigkeiten weiter verschärfen. Ärmere Menschen können es sich nicht leisten, bei zunehmenden Naturkatastrophen teure Sicherungsmaßnahmen für ihre Häuser und landwirtschaftlichen Grundstücke vorzunehmen oder ihren Wohnort in eine sicherere Region zu verlagern. Dadurch wird sich die Ungleichheit zwischen Globalem Norden und Globalem Süden weiter erhöhen.
Schon heute stufen viele politische wie auch militärische Institutionen den Klimawandel als großes „Sicherheitsrisiko“ ein. In ihren Sicherheitsanalysen gehen sie davon aus, dass durch verstärkte Naturkatastrophen, durch die Zunahme von Dürren und dadurch verursachter Hungersnöte, durch Überschwemmungen und Stürme die gesellschaftlichen Konflikte, bis hin zu Kriegen zunehmen werden. Durch die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen werden immer mehr Menschen zu Klimaflüchtlingen, was weitere Instabilitäten in ganzen Regionen erzeugen kann. Es wird davon ausgegangen, dass in den nächsten Jahrzehnten mehr als 250 Millionen Menschen zu Klimaflüchtlingen werden.
Auch in den Staaten des Globalen Nordens werden die Auswirkungen des Klimawandels deutlich zu spüren sein. Die Wüstenbildung in den südlichen Staaten der EU wird deutlich zunehmen, Wasserknappheit und deutliche Ernteverluste in vielen Teilen der EU werden zu steigenden Lebensmittelpreisen führen, was gerade für die einkommensbenachteiligten Gruppen in der Gesellschaft weitere Benachteiligungen verursachen wird.
Klimagerechtigkeit ist deshalb keine Wohltätigkeit der Staaten des Globalen Nordens für die Staaten des Globalen Südens, sondern eine Notwendigkeit für die Sicherung eines menschenwürdigen Lebens für alle! Klimagerechtigkeit bedeutet eine soziale und eine ökologische Transformation der bestehen Verhältnisse in den Staaten des Globalen Nordens und in den Staaten des Globalen Südens.
Die Klimakrise ist kein reines Umweltproblem
Die sich anbahnende Klimakrise bedroht die Lebensgrundlage hunderter Millionen Menschen. Sie führt zur Zunahme der Armut, Klimaflucht und Vertreibung. Durch die Klimakrise wird die Gefahr von Kriegen und Konflikten weiter zunehmen. Das Menschenrecht auf Nahrung, sauberes Wasser und Gesundheit wird für immer mehr Menschen infrage gestellt und weiter zerstört.
Dabei werden mit den zunehmenden Klimafolgen die Staaten des Globalen Südens wesentlich härter betroffen werden als die Staaten des Globalen Nordens. Die Staaten des Globalen Südens werden mehr als drei Viertel der Kosten durch die Klimakrise zu tragen haben, obwohl sie nur etwa zehn Prozent zu den CO2-Emissionen beigetragen haben.
Hier werden die NaturFreunde Deutschlands ansetzen: Sie wollen ihre friedenspolitischen, umweltpolitischen und ökologischen Forderungen zu einem gesellschaftlichen Transformationsprogramm zusammenführen, was einen Beitrag für Klimagerechtigkeit ermöglicht. Dafür ist notwendig, dass die Staaten des Globalen Nordens ihre Verantwortung für die Umweltzerstörungen der Vergangenheit anerkennen und Hilfen für eine Sicherung der Lebensgrundlagen in den Staaten des Globalen Südens zur Verfügung stellen. Dazu gehört die Anerkennung der verheerenden Folgen des europäischen Kolonialismus in den ehemaligen Kolonien sowie des Profits auf Seiten der Kolonialmächte. Damit einher gehen angemessene Reparationszahlungen und vor allem ein Einsatz gegen Strukturen, die die Ausbeutung bis heute fortführen.
Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen in der Naturfreunde Internationale (NFI) werden die NaturFreunde für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung streiten und sich an internationalen Kampagnen für Klimagerechtigkeit beteiligen. Von den Regierungen der Welt erwarten die NaturFreunde, dass sie endlich handeln und ihre gegenseitige Blockade, wie sie auf dem Weltklimagipfel in Madrid deutlich sichtbar wurde, überwinden. Dabei ist für die NaturFreunde wichtig, dass die Hauptverursacher*innen des heutigen Klimawandels auch die Hauptlast des gesellschaftlichen Umbaus tragen müssen.
Klimagerechtigkeit jetzt!
Die Erdatmosphäre ist für die NaturFreunde ein globales Gemeingut, das nicht von einigen wenigen für ihre individuellen Vorteile oder Profite missbraucht werden darf. Die Atmosphäre, wie auch die Ozeane oder Urwälder, gehören keinen privaten Konzernen oder Investor*innen und dürfen nicht aufgrund egoistischer Einzelinteressen zerstört werden. Die Staaten des Globalen Nordens und die früh industrialisierten Länder haben durch ihre auf fossilen Energien aufgebaute Entwicklung einen großen Teil der weltweiten Emissionen zu verantworten. Unter den Auswirkungen dieser Verschmutzung der Atmosphäre müssen heute insbesondere die ärmeren Länder und Regionen leiden. Deshalb bedeutet für die NaturFreunde Klimagerechtigkeit den Umbau der wirtschaftlichen Grundlagen so zu organisieren, dass die negativen Folgen der Klimakrise nicht nur für die heute lebenden Generationen, sondern auch für zukünftige Generationen abgemildert und, wenn möglich, verhindert werden.
Aktuell sind sechs der zehn umsatzstärksten Unternehmen Konzerne, die ihre Profite vor allem aus fossilen Rohstoffen wie Öl, Kohle und Gas erwirtschaften. Im Jahr 2016 wurden noch immer 87 Prozent der weltweiten Energie aus fossilen Energieträgern gewonnen. Jede Sekunde werden mehr als 1.300 Tonnen CO2-Treibhausgase in die Atmosphäre emittiert. Seit dem Jahr 1988 haben die 100 größten Energiekonzerne der Welt über 70 Prozent der globalen Emissionen verursacht.
Der Weltbiodiversitätsrat der Vereinten Nationen weist darauf hin, dass bereits heute fast ein Viertel der Landfläche ökologisch zerstört und nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar ist, 85 Prozent der Feuchtgebiete ausgetrocknet sind. Er erwartet, dass in den nächsten Jahrzehnten das größte Artensterben seit der Eiszeit droht.
Wie ungleich sich der Ausstoß von Treibhausgasen weltweit verteilt, zeigt ein Blick in die Statistiken: So ist allein die Gruppe der 7 großen Industrieländer (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA) – also nur 7 von weltweit 192 Ländern – für mehr als ein Viertel der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Noch deutlicher wird diese ungerechte Nutzung der Atmosphäre sichtbar, wenn die Verteilung der Emissionen pro Kopf betrachtet wird. In den ärmsten Ländern wie beispielsweise Tansania wurden 2018 weniger als 0,22 Tonnen, in Deutschland 9,13 Tonnen und in den USA 16,05 Tonnen CO2-Emissionen pro Kopf emittiert. Mit anderen Worten: Je ärmer ein Land, desto weniger Treibhausgasemissionen werden ausgestoßen.
In Deutschland leben mit 82 Millionen Menschen etwa 1,17 Prozent der Weltbevölkerung. Wenn in Deutschland eine klimagerechte Politik umgesetzt und das 1,5-Grad-Ziel von Paris eingehalten werden soll, dürfen in Deutschland auch nur 1,17 Prozent des heute noch zur Verfügung stehenden Klimabudgets emittiert werden. Das sind rund vier Milliarden Tonnen CO2. Im Jahr 2019 wurden jedoch in Deutschland ca. 810 Millionen Tonnen CO2 emittiert, im durch die Pandemie geprägten Jahr 2020 waren es 739. Notwendig ist eine dauerhafte drastische Reduktion der Emissionen in Deutschland, sonst ist das Restbudget Deutschlands bereits in weniger als fünf Jahren verbraucht.
Bisher hat die bundesdeutsche Politik der letzten Jahrzehnte die selbstgesteckten Ziele verfehlt: Die Zusage, die Emissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent bis 2020 zu senken, konnte lediglich aufgrund der unvorhergesehenen Corona-Krise knapp erreicht werden. Demgegenüber zeichnet sich bereits derzeit ab, dass der im Juni 2021 – durch die Nachschärfung des Klimaschutzgesetzes – gefasste Beschluss, die Treibhausgasemissionen um mindesten 65 Prozent bis zum Jahr 2030 zu reduzieren, in Gefahr ist. Die Bundesregierung scheut sich jedoch, konsequente Maßnahmen für eine Energie- und Klimawende zu ergreifen, und nimmt damit in Kauf, dass das Klimaziel nicht erreicht wird.
Dieses von der Bundesregierung ausgegebene Ziel zur Reduktion der Treibhausgase wird jedoch bei weitem nicht ausreichen, um eine klimagerechte Politik in Deutschland zu implementieren, da auch hierdurch das Restbudget an klimapolitisch noch zulässigen Treibhausgasemissionen in nur wenigen Jahren aufgebraucht wäre. Deshalb treten die NaturFreunde für eine Reduktion der Treibhausgase von mindestens 80 Prozent bis zum Jahre 2030 ein.
Eine klimagerechte Politik muss die heutigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundlagen so umbauen, dass Deutschland spätestens 2045 klimaneutral wird. Nach einer vom Umweltbundesamt (UBA) herausgegebenen Studie ist dies (zumindest bis 2050) auch ohne den Einsatz der risikobehafteten Technologien zu Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) möglich (vgl. UBA „Wege in eine ressourcenschonende Treibhausgasneutralität“, 2019). Die heutigen Produktionsbedingungen und die alltägliche Lebensweise der Menschen müssen ohne den großflächigen Einsatz von fossilen Energien und ohne Ausbeutung von Menschen und Natur organisiert werden. Die entscheidenden Potenziale hierfür liegen – neben dem notwendigen Verzicht auf die fossile und nukleare Energieerzeugung und einer gleichzeitigen konsequenten Umstellung auf Erneuerbare Energien – in den Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz. Aufgrund einer jahrelang falsch verstandenen und von Unterlassung geprägten Energiepolitik liegen hier noch immer riesige (Einspar-)Potenziale brach. Sie gilt es zu nutzen und zügig zu aktivieren. Damit diese Effizienz-Ansätze ihre volle Wirkung erzielen können, sollten sie Hand in Hand gehen mit Veränderungen des persönlichen Konsum- und Nutzungsverhaltens. Anstrengungen, den absoluten Energieverbrauch durch dementsprechende Veränderungen zu reduzieren, werden unter dem Begriff der „Energiesuffizienz“ zusammengefasst. Die NaturFreunde Deutschlands setzen sich schon seit Jahren für eine konsequente – und auch unter Kosten- und Sozialverträglichkeitsaspekten günstige – Nutzung dieser „Energiequelle“ ein.
Um Klimagerechtigkeit durchzusetzen, muss deshalb endlich ein breites gesellschaftliches Bündnis aus sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, Friedensbewegungen und der Klima- und Umweltbewegung erreicht werden. Die NaturFreunde werden dazu einen Beitrag leisten und in den nächsten Jahren für eine solche gemeinsame Zusammenarbeit bei den anderen Verbänden werben.
Klimagerechtigkeit kann nicht dadurch erreicht werden, dass einseitig an den*die Einzelne*n appelliert wird, sein*ihr individuelles Verhalten zu ändern. Die Klimakrise löst sich nicht durch eine Veränderung des individuellen Einkaufs oder des Freizeitverhaltens allein, sondern nur, wenn ein konkreter Strukturwandel der heutigen auf Kohlenstoff- und Rohstoffverbrauch ausgerichteten Wirtschaftsweise erreicht wird.
Klimagerechtigkeit bedeutet für die NaturFreunde,
- dass die Staaten des Globalen Nordens ihre Treibhausgase sofort verringern und einen größtmöglichen Beitrag zur Einhaltung der Pariser Klimaziele leisten müssen. In Deutschland müssen die Treibhausgase bis spätestens 2030 um mindestens 80 Prozent im Vergleich zum Referenzjahr 1990 reduziert werden. Bis spätestens 2045 muss Deutschland klimaneutral wirtschaften;
- dass die Profiteur*innen der Klimazerstörung und die Wohlhabenden und Reichen den Beitrag zur Finanzierung der Transformationskosten aufbringen müssen. Hierfür ist die Einführung einer Vermögenssteuer und einer Vermögensabgabe zur Finanzierung des gesellschaftlichen Umbaus notwendig;
- dass sich die Staaten des Globalen Nordens an den zu erwartenden Kosten für die mögliche Vermeidung oder die Schäden durch Überschwemmungen, Hurrikans, Naturkatastrophen, Dürreperioden und Wasserknappheit durch einen Zukunftsfonds beteiligen müssen, der auch selbstbestimmte, zivilgesellschaftlich organisierte Entwicklungsmöglichkeiten finanziert;
- dass die heutigen Generationen ihren Ressourcenverbrauch so organisieren müssen, dass zukünftige Generationen weiterhin auf der Erde gut leben können. Die heutige Ausbeutung der Rohstoffe des Globalen Südens durch die transnationalen Konzerne muss beendet werden. Ziel muss die gerechte Verteilung der Rohstoffe sein. Die natürlichen Ressourcen sind Eigentum der Menschen in den Ländern, in denen sie liegen, und nicht von privaten Konzernen und Investor*innen. Wenn solche Ressourcen abgebaut werden müssen, dann muss der Abbau so organisiert werden, dass dieser dazu beiträgt, Armut und Ausbeutung in den Ländern zu vermindern, in denen die Rohstoffe abgebaut werden;
- dass die notwendigen strukturellen Veränderungen zwischen Stadt und ländlichen Regionen gerecht verteilt werden. Urbane Großräume sind großflächige ökologische Senken. Es ist deshalb nicht verantwortbar, die ökologischen Notwendigkeiten allein auf die ländlichen Regionen verlagern zu wollen. Die urbanen Großräume müssen mit einer deutlichen Reduktion des Energieverbrauchs – durch Wärmedämmung in den Häusern, durch den Ausbau von Solaranlagen auf den Dächern oder durch eine konsequente Verkehrswende – ihren Beitrag für den notwendigen Umbau der Gesellschaft, weg von der kohlenstoffbasierten Wirtschaftsweise, leisten. Durch öffentliche Förderprogramme müssen die ländlichen Regionen unterstützt werden;
- dass die Staaten des Globalen Nordens eine an humanitären und menschenrechtlichen Standards ausgerichtete Flüchtlingspolitik betreiben. Hierfür muss Klimaflucht als Tatbestand der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt werden und die Staaten des Globalen Nordens konkrete Hilfe für Betroffene organisieren und mitfinanzieren;
- dass beim notwendigen Umbau der Gesellschaft die besonderen Auswirkungen auf benachteiligte Menschen berücksichtigt werden und sozial Benachteiligte, Menschen mit Beeinträchtigungen oder ausgegrenzte und diskriminierte Bevölkerungsgruppen keine weiteren Ausgrenzungen erfahren;
- dass die Hauptverursacher*innen der Klimakrise deutlich mehr zur Sicherung der Pariser Klimaschutzziele beitragen müssen. Dies bedeutet, dass die Ausnahmen von der EEG-Umlage, die kostenfreie Verschmutzung der natürlichen Umwelt durch die großen transnationalen Konzerne und die ungehinderte Ausbeutung von Rohstoffen beendet werden. Eine wirksame und nachhaltige Klimapolitik kann nicht durch Marktmechanismen erreicht werden. Hier müssen endlich konsequente ordnungspolitische Regelungen zum Schutz des Klimas und der Umwelt erlassen werden;
- dass die neoliberalen Freihandelsabkommen nicht weiterverhandelt werden, bestehende Freihandelsabkommen gekündigt und ein gerechter Handel zwischen den Regionen durchgesetzt wird. Der heutige neoliberale Freihandel ist ein wichtiger Verursacher von klimaschädlichen Treibhausgasen und trägt zur weiteren Ausbeutung der Menschen im Globalen Süden und der Arbeitnehmer*innen im Globalen Norden bei;
- dass alle wirtschaftlichen Tätigkeiten an ökologischen und menschenrechtlichen Standards ausgerichtet werden. Unternehmen, die Menschenrechte nicht beachten, müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Hierfür müssen den Unternehmen menschenrechtliche und umwelttechnische Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Wertschöpfungskette verbindlich vorgeschrieben werden. Unternehmen, die im Ausland produzieren oder produzieren lassen, müssen zivilrechtlich für Menschenrechtsverstöße und Umweltzerstörung, auch ihrer Subunternehmen und Zulieferer, haften. Für Betroffene muss es möglich sein, bei Menschenrechtsverstößen im Ausland Klagen gegen Tochterunternehmen deutscher Konzerne vor deutschen Gerichten zu führen. Hierfür muss auch in Deutschland ein Unternehmensstrafrecht eingeführt werden, welches Strafverfahren gegen Unternehmen ermöglicht und Sanktionsmöglichkeiten in Form von angemessenen Geldstrafen vorsieht;
- dass die Staaten des Globalen Nordens mindestens zwei Prozent ihres Bruttonationalproduktes für die Entwicklungsmöglichkeiten in den Staaten des Globalen Südens zur Verfügung stellen. Dies kann durch eine Reduzierung der Rüstungshaushalte sofort umgesetzt werden;
- die tatsächliche Beteiligung von jungen Menschen an Entscheidungsprozessen.
Für die NaturFreunde steht im Mittelpunkt ihrer politischen Forderung die Durchsetzung einer Klimapolitik, die ökologisch und sozial gerecht ist. Deshalb werden die NaturFreunde für eine grundlegende Transformation des heutigen neoliberalen Kapitalismus eintreten. Die heutige Ausrichtung der Gesellschaft zerstört das Klima, trägt maßgeblich zu einem nie dagewesenen Artensterben bei, zerstört die Böden und führt zu immer größeren sozialen Verwerfungen in nahezu allen Gesellschaften.
Wir brauchen einen grundlegenden Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft,
- weg von der kohlenstoffbasierten Ausbeutung der Natur;
- weg von der Ausbeutung großer Teile der Gesellschaft zugunsten einer kleinen reichen Elite;
- weg von der Ausbeutung des Globalen Südens durch den Globalen Norden.
Die NaturFreunde fordern von der Bundesregierung:
- Die Profiteur*innen und reichsten Teile der Gesellschaften endlich gerecht zu besteuern. Gutverdienende haben einen deutlich größeren ökologischen Fußabdruck als sozial Benachteiligte. Klimagerechtigkeit muss deshalb sozial gerecht organisiert werden.
- Einen schnellen und nachhaltigen sozialen und ökologischen Umbau der Industriegesellschaft. Hierzu brauchen wir öffentliche Investitionen in ein ökologisches Zukunftsprogramm. Hierfür müssen jährlich mindestens 100 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt eingeplant werden.
- Durch Arbeitszeitverkürzung, ökologischen Umbau der Industriegesellschaft und die Sicherung und den Ausbau der sozialen und ökologischen Infrastruktur muss das Ziel von tarifvertraglich abgesicherter Vollbeschäftigung für Alle erreicht werden.
- Eine deutliche finanzielle Stärkung der Kommunen und kommunalen Gebietskörperschaften zur Bekämpfung sozialer Ungleichheit und zur ökologischen Sanierung sowie zum Umbau der regionalen Infrastruktur.
- Die bisher nur unzureichend genutzten Potenziale an Energieeinsparungen und Effizienzsteigerungen in den Sektoren (Gebäudeenergieversorgung und energieintensive Industrie) müssen durch zusätzlich aufzulegende Anreiz- und sozialverträgliche Unterstützungsprogramme aktiviert werden.
- Verstärkt öffentlich finanzierte Förderprogramme zur Steigerung der Energiesuffizienz aufzulegen.
- Eine konsequente Verkehrswende mit dem Ziel, aus der Produktion von Verbrennungsmotoren bis spätestens 2025 auszusteigen, bis spätestens 2035 muss der Verkehrsbereich klimaneutral werden.
- Ein Investitionsprogramm für den Ausbau der Schieneninfrastruktur und der Infrastruktur für Rad- und Fußverkehr. Wir wollen einen Vorrang für Fuß- und Radverkehr und des öffentlichen Personennahverkehrs in den Städten und Gemeinden. Der Bundesverkehrswegeplan muss hierfür grundlegend verändert werden. Kein Geld für den Neubau von Straßen! Konzentration der finanziellen Mittel für den Ausbau der Bahn und der öffentlichen Nahverkehrssysteme.
- Umbau der industrialisierten, ressourcen- und klimaschädlichen Landwirtschaft hin zu einer ökologisch ausgerichteten Landwirtschaft.
- Eine konsequente Energiewende. Ausstieg aus der Kohleverstromung bis spätestens 2030. Förderung einer dezentralen und ökologischen Energieerzeugung durch erneuerbare Energien. Energieversorgung ist eine Leistung der Daseinsvorsorge. Sie gehört nicht in privates Eigentum, sondern in öffentliche Hand.
- Wohnungen und Häuser klimagerecht sanieren. Vor allem die Siedlungsbauten der Nachkriegszeit müssen durch eine gezielte Förderung schnell energetisch saniert werden. Solche Sanierungen dürfen nicht zu Mieterhöhungen missbraucht werden, sondern gesetzlich vorgeschrieben werden.
- Neben der Stromwende und der Verkehrswende insbesondere eine konsequente Wärmewende. Knapp 60 Prozent unseres Endenergiebedarfs entfallen auf Heizung und Warmwasser. Für die Vermeidung der Klimakatastrophe ist ein zügiger Ausstieg auch aus der fossilen Wärmeversorgung durch Kohle, Öl und Gas erforderlich. Für diese Energiesystemwende sind individuelle Maßnahmen zu teuer, zu langsam und damit nicht ausreichend. Die bisherigen Einzelhausmaßnahmen müssen in großem Umfang durch gemeinschaftliche Lösungen in Quartieren, Stadtteilen, Ortschaften, Städten und Gemeinden ergänzt werden. Die Bundesregierung muss diesen Umbauprozess mit Anreiz- und Förderprogrammen unterstützen.
- Eine tatsächliche Beteiligung junger Menschen in allen sie betreffenden Lebensbereichen, so wie in der UN-Kinderrechtskonvention festgelegt.
Die NaturFreunde werden
- Informationsmaterialien und Flyer für die Ortsgruppen und Landesverbände erarbeiten;
- im Rahmen der Umweltdetektive-Arbeit und in angestrebter Zusammenarbeit mit der Naturfreundejugend ein Arbeitspaket zum Thema Klimagerechtigkeit entwickeln;
- sich mit dem Zusammenhang von Klimakrise und europäischem Kolonialismus auseinandersetzen;
- als Teil des Einsatzes für Klimagerechtigkeit dekoloniale Initiativen im In- und Ausland unterstützen;
- sich mit (Kolonial-)Rassismus als Legitimation der Ausbeutung das Globalen Südens historisch und aktuell in der Gesellschaft, aber auch innerhalb der eigenen Bewegung, konsequent und kritisch auseinandersetzen;
- im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten die Naturfreundehäuser klimagerecht gestalten und auf umweltschädliche Produkte weitestgehend verzichten;
- sich aktiv an regionalen und landesweiten Bündnissen für Klimagerechtigkeit beteiligen;
- zusammen mit ihren Partnerorganisationen in den Ländern des Globalen Südens internationale Kampagnen unterstützen, um Klimagerechtigkeit durchzusetzen;
- ihre Aktivitäten so organisieren, dass sie an den Grundsätzen der Klimagerechtigkeit orientiert durchgeführt werden. Für entstandene Treibhausgase leisten die NaturFreunde einen Beitrag in den NaturFreunde-Klimafonds, um eine Kompensation zu ermöglichen.
Verabschiedet vom 31. Bundeskongress der NaturFreunde Deutschlands, der vom 8.–10. Oktober 2021 in Falkensee bei Berlin tagte.