Klimagerechtigkeit durchsetzen!

Ein Beschluss des 31. Bundeskongresses der NaturFreunde Deutschlands

Bereits heute sind die Folgen des Klimawandels deut­lich zu spüren. Wenn es nicht gelingt, zu einem schnel­len und konsequenten Umbau der heutigen auf Koh­lenstoff basierenden Gesellschaften zu kommen, wer­den sich die Folgen des sich beschleunigenden Klima­wandels für die Ökosysteme und die menschliche Ge­sellschaft dramatisch verschärfen.

In der Sahelzone, den Küstengebieten Südostasiens oder in den vielen Regionen Südamerikas werden die Folgen des Klimawandels zu riesigen gesellschaftlichen und ökologischen Verwerfungen führen. Obwohl ge­rade diese Regionen in den letzten 150 Jahren kaum Treibhausgase in die Atmosphäre eingebracht haben – anders als die Staaten Europas und Nordamerikas – werden die negativen Folgen der Klimakrise dort am stärksten zu spüren sein.

Der heutige Klimawandel ist nicht allein eine Ursache von Ungleichheit, aber er wird die bestehenden Un­gleichheiten zwischen Nord und Süd sowie Armen und Reichen deutlich verstärken. Kinder und Jugendliche sind besonders betroffen und müssen mit heute ge­troffenen Entscheidungen leben. Der dramatische Kli­mawandel ist Folge einer auf Ausbeutung von Men­schen und Natur ausgerichteten Wirtschaftsweise und ist eng verbunden mit der über 500 Jahre alten Geschichte des europäischen Kolonialismus, seiner zerstörerischen Gewalt, wirtschaftlichen Ausbeutung und Unterdrückung, die bis heute als koloniale Kon­tinuitäten fortbestehen. Durch die neoliberale Wirt­schaftspolitik der letzten 50 Jahre wurde die Klima­krise massiv verstärkt.

Schon in der Vergangenheit haben die gesellschaft­lich bessergestellten Gruppen aktiv dafür gestritten, dass ihre Wohnorte und Arbeitsplätze möglichst frei von Schadstoffen wie Radioaktivität, Müll und Gift, Lärm, Luft- und Wasserverschmutzung bleiben. Durch ihren gesellschaftlichen Einfluss konnten sie meist er­reichen, dass Mülldeponien, umweltzerstörende Pro­duktionsanlagen, Autobahntrassen oder Atommüllla­ger in Gebiete der ärmeren Bevölkerung, in indigene Reservate oder in ländliche, meist dünn besiedelte Regionen verlagert wurden. Häufig wurden umwelt­zerstörende Produktionsanlagen in die Staaten des Globalen Südens verlagert oder Müll dorthin exportiert.

Die zunehmende Klimakrise wird bestehende Unge­rechtigkeiten weiter verschärfen. Ärmere Menschen können es sich nicht leisten, bei zunehmenden Na­turkatastrophen teure Sicherungsmaßnahmen für ih­re Häuser und landwirtschaftlichen Grundstücke vor­zunehmen oder ihren Wohnort in eine sicherere Re­gion zu verlagern. Dadurch wird sich die Ungleichheit zwischen Globalem Norden und Globalem Süden weiter erhöhen.

Schon heute stufen viele politische wie auch militäri­sche Institutionen den Klimawandel als großes „Si­cherheitsrisiko“ ein. In ihren Sicherheitsanalysen ge­hen sie davon aus, dass durch verstärkte Naturkata­strophen, durch die Zunahme von Dürren und da­durch verursachter Hungersnöte, durch Überschwem­mungen und Stürme die gesellschaftlichen Konflikte, bis hin zu Kriegen zunehmen werden. Durch die Zer­störung der natürlichen Lebensgrundlagen werden immer mehr Menschen zu Klimaflüchtlingen, was weitere Instabilitäten in ganzen Regionen erzeugen kann. Es wird davon ausgegangen, dass in den nächs­ten Jahrzehnten mehr als 250 Millionen Menschen zu Klimaflüchtlingen werden.

Auch in den Staaten des Globalen Nordens werden die Auswirkungen des Klimawandels deutlich zu spü­ren sein. Die Wüstenbildung in den südlichen Staaten der EU wird deutlich zunehmen, Wasserknappheit und deutliche Ernteverluste in vielen Teilen der EU werden zu steigenden Lebensmittelpreisen führen, was gerade für die einkommensbenachteiligten Gruppen in der Gesellschaft weitere Benachteiligungen verur­sachen wird.

Klimagerechtigkeit ist deshalb keine Wohltätigkeit der Staaten des Globalen Nordens für die Staaten des Globalen Südens, sondern eine Notwendigkeit für die Sicherung eines menschenwürdigen Lebens für alle! Klimagerechtigkeit bedeutet eine soziale und eine ökologische Transformation der bestehen Verhältnis­se in den Staaten des Globalen Nordens und in den Staaten des Globalen Südens.

Die Klimakrise ist kein reines Umweltproblem

Die sich anbahnende Klimakrise bedroht die Lebens­grundlage hunderter Millionen Menschen. Sie führt zur Zunahme der Armut, Klimaflucht und Vertrei­bung. Durch die Klimakrise wird die Gefahr von Krie­gen und Konflikten weiter zunehmen. Das Menschen­recht auf Nahrung, sauberes Wasser und Gesundheit wird für immer mehr Menschen infrage gestellt und weiter zerstört.

Dabei werden mit den zunehmenden Klimafolgen die Staaten des Globalen Südens wesentlich härter be­troffen werden als die Staaten des Globalen Nordens. Die Staaten des Globalen Südens werden mehr als drei Viertel der Kosten durch die Klimakrise zu tragen haben, obwohl sie nur etwa zehn Prozent zu den CO2-Emissionen beigetragen haben.

Hier werden die NaturFreunde Deutschlands an­setzen: Sie wollen ihre friedenspolitischen, umwelt­politischen und ökologischen Forderungen zu einem gesellschaftlichen Transformationsprogramm zusam­menführen, was einen Beitrag für Klimagerechtigkeit ermöglicht. Dafür ist notwendig, dass die Staaten des Globalen Nordens ihre Verantwortung für die Um­weltzerstörungen der Vergangenheit anerkennen und Hilfen für eine Sicherung der Lebensgrundlagen in den Staaten des Globalen Südens zur Verfügung stellen. Dazu gehört die Anerkennung der verheerenden Fol­gen des europäischen Kolonialismus in den ehemali­gen Kolonien sowie des Profits auf Seiten der Koloni­almächte. Damit einher gehen angemessene Reparati­onszahlungen und vor allem ein Einsatz gegen Struk­turen, die die Ausbeutung bis heute fortführen.

Gemeinsam mit unseren Partnerorganisatio­nen in der Naturfreunde Internationale (NFI) werden die NaturFreunde für eine gerechte Weltwirtschafts­ordnung streiten und sich an internationalen Kam­pagnen für Klimagerechtigkeit beteiligen. Von den Re­gierungen der Welt erwarten die NaturFreunde, dass sie endlich handeln und ihre gegenseitige Blockade, wie sie auf dem Weltklimagipfel in Madrid deutlich sichtbar wurde, überwinden. Dabei ist für die Natur­Freunde wichtig, dass die Hauptverursacher*innen des heutigen Klimawandels auch die Hauptlast des gesellschaftlichen Umbaus tragen müssen.

Klimagerechtigkeit jetzt!

Die Erdatmosphäre ist für die NaturFreunde ein glo­bales Gemeingut, das nicht von einigen wenigen für ihre individuellen Vorteile oder Profite missbraucht werden darf. Die Atmosphäre, wie auch die Ozeane oder Urwälder, gehören keinen privaten Konzernen oder Investor*innen und dürfen nicht aufgrund ego­istischer Einzelinteressen zerstört werden. Die Staa­ten des Globalen Nordens und die früh industriali­sierten Länder haben durch ihre auf fossilen Energien aufgebaute Entwicklung einen großen Teil der welt­weiten Emissionen zu verantworten. Unter den Aus­wirkungen dieser Verschmutzung der Atmosphäre müssen heute insbesondere die ärmeren Länder und Regionen leiden. Deshalb bedeutet für die NaturFreun­de Klimagerechtigkeit den Umbau der wirtschaftlichen Grundlagen so zu organisieren, dass die negativen Folgen der Klimakrise nicht nur für die heute leben­den Generationen, sondern auch für zukünftige Ge­nerationen abgemildert und, wenn möglich, verhin­dert werden.

Aktuell sind sechs der zehn umsatzstärksten Unter­nehmen Konzerne, die ihre Profite vor allem aus fos­silen Rohstoffen wie Öl, Kohle und Gas erwirtschaf­ten. Im Jahr 2016 wurden noch immer 87 Prozent der weltweiten Energie aus fossilen Energieträgern ge­wonnen. Jede Sekunde werden mehr als 1.300 Ton­nen CO2-Treibhausgase in die Atmosphäre emittiert. Seit dem Jahr 1988 haben die 100 größten Energie­konzerne der Welt über 70 Prozent der globalen Emissionen verursacht.

Der Weltbiodiversitätsrat der Vereinten Nationen weist darauf hin, dass bereits heute fast ein Viertel der Landfläche ökologisch zerstört und nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar ist, 85 Prozent der Feucht­gebiete ausgetrocknet sind. Er erwartet, dass in den nächsten Jahrzehnten das größte Artensterben seit der Eiszeit droht.

Wie ungleich sich der Ausstoß von Treibhausgasen weltweit verteilt, zeigt ein Blick in die Statistiken: So ist allein die Gruppe der 7 großen Industrieländer (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Ja­pan, Kanada und die USA) – also nur 7 von weltweit 192 Ländern – für mehr als ein Viertel der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Noch deutlicher wird diese ungerechte Nutzung der Atmosphäre sichtbar, wenn die Verteilung der Emissionen pro Kopf be­trachtet wird. In den ärmsten Ländern wie beispiels­weise Tansania wurden 2018 weniger als 0,22 Ton­nen, in Deutschland 9,13 Tonnen und in den USA 16,05 Tonnen CO2-Emissionen pro Kopf emittiert. Mit anderen Worten: Je ärmer ein Land, desto weniger Treibhausgasemissionen werden ausgestoßen.

In Deutschland leben mit 82 Millionen Menschen etwa 1,17 Prozent der Weltbevölkerung. Wenn in Deutschland eine klimagerechte Politik umgesetzt und das 1,5-Grad-Ziel von Paris eingehalten werden soll, dürfen in Deutschland auch nur 1,17 Prozent des heute noch zur Verfügung stehenden Klimabudgets emittiert werden. Das sind rund vier Milliarden Ton­nen CO2. Im Jahr 2019 wurden jedoch in Deutschland ca. 810 Millionen Tonnen CO2 emittiert, im durch die Pandemie geprägten Jahr 2020 waren es 739. Not­wendig ist eine dauerhafte drastische Reduktion der Emissionen in Deutschland, sonst ist das Restbudget Deutschlands bereits in weniger als fünf Jahren ver­braucht.

Bisher hat die bundesdeutsche Politik der letzten Jahrzehnte die selbstgesteckten Ziele verfehlt: Die Zu­sage, die Emissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Pro­zent bis 2020 zu senken, konnte lediglich aufgrund der unvorhergesehenen Corona-Krise knapp erreicht werden. Demgegenüber zeichnet sich bereits derzeit ab, dass der im Juni 2021 – durch die Nachschärfung des Klimaschutzgesetzes – gefasste Beschluss, die Treibhausgasemissionen um mindesten 65 Prozent bis zum Jahr 2030 zu reduzieren, in Gefahr ist. Die Bundesregierung scheut sich jedoch, konsequente Maßnahmen für eine Energie- und Klimawende zu er­greifen, und nimmt damit in Kauf, dass das Klimaziel nicht erreicht wird.

Dieses von der Bundesregierung ausgegebene Ziel zur Reduktion der Treibhausgase wird jedoch bei weitem nicht ausreichen, um eine klimagerechte Politik in Deutschland zu implementieren, da auch hierdurch das Restbudget an klimapolitisch noch zulässigen Treibhausgasemissionen in nur wenigen Jahren auf­gebraucht wäre. Deshalb treten die NaturFreunde für eine Reduktion der Treibhausgase von mindestens 80 Prozent bis zum Jahre 2030 ein.

Eine klimagerechte Politik muss die heutigen wirt­schaftlichen und gesellschaftlichen Grundlagen so umbauen, dass Deutschland spätestens 2045 klima­neutral wird. Nach einer vom Umweltbundesamt (UBA) herausgegebenen Studie ist dies (zumindest bis 2050) auch ohne den Einsatz der risikobehafteten Technologien zu Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) möglich (vgl. UBA „Wege in eine ressour­censchonende Treibhausgasneutralität“, 2019). Die heutigen Produktionsbedingungen und die alltägliche Lebensweise der Menschen müssen ohne den groß­flächigen Einsatz von fossilen Energien und ohne Aus­beutung von Menschen und Natur organisiert wer­den. Die entscheidenden Potenziale hierfür liegen – neben dem notwendigen Verzicht auf die fossile und nukleare Energieerzeugung und einer gleichzeitigen konsequenten Umstellung auf Erneuerbare Energien – in den Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffi­zienz. Aufgrund einer jahrelang falsch verstandenen und von Unterlassung geprägten Energiepolitik liegen hier noch immer riesige (Einspar-)Potenziale brach. Sie gilt es zu nutzen und zügig zu aktivieren. Damit diese Effizienz-Ansätze ihre volle Wirkung erzielen können, sollten sie Hand in Hand gehen mit Verän­derungen des persönlichen Konsum- und Nutzungs­verhaltens. Anstrengungen, den absoluten Energie­verbrauch durch dementsprechende Veränderungen zu reduzieren, werden unter dem Begriff der „Ener­giesuffizienz“ zusammengefasst. Die NaturFreunde Deutschlands setzen sich schon seit Jahren für eine konsequente – und auch unter Kosten- und Sozialver­träglichkeitsaspekten günstige – Nutzung dieser „Energiequelle“ ein.

Um Klimagerechtigkeit durchzusetzen, muss deshalb endlich ein breites gesellschaftliches Bündnis aus so­zialen Bewegungen, Gewerkschaften, Friedensbewe­gungen und der Klima- und Umweltbewegung er­reicht werden. Die NaturFreunde werden dazu einen Beitrag leisten und in den nächsten Jahren für eine solche gemeinsame Zusammenarbeit bei den ande­ren Verbänden werben.

Klimagerechtigkeit kann nicht dadurch erreicht wer­den, dass einseitig an den*die Einzelne*n appelliert wird, sein*ihr individuelles Verhalten zu ändern. Die Klimakrise löst sich nicht durch eine Veränderung des individuellen Einkaufs oder des Freizeitverhal­tens allein, sondern nur, wenn ein konkreter Struk­turwandel der heutigen auf Kohlenstoff- und Roh­stoffverbrauch ausgerichteten Wirtschaftsweise er­reicht wird.

Klimagerechtigkeit bedeutet für die NaturFreunde,

  • dass die Staaten des Globalen Nordens ihre Treib­hausgase sofort verringern und einen größtmögli­chen Beitrag zur Einhaltung der Pariser Klimaziele leisten müssen. In Deutschland müssen die Treibhausgase bis spätestens 2030 um mindes­tens 80 Prozent im Vergleich zum Referenzjahr 1990 reduziert werden. Bis spätestens 2045 muss Deutschland klimaneutral wirtschaften;
  • dass die Profiteur*innen der Klimazerstörung und die Wohlhabenden und Reichen den Beitrag zur Finanzierung der Transformationskosten aufbrin­gen müssen. Hierfür ist die Einführung einer Ver­mögenssteuer und einer Vermögensabgabe zur Fi­nanzierung des gesellschaftlichen Umbaus not­wendig;
  • dass sich die Staaten des Globalen Nordens an den zu erwartenden Kosten für die mögliche Ver­meidung oder die Schäden durch Überschwem­mungen, Hurrikans, Naturkatastrophen, Dürreperi­oden und Wasserknappheit durch einen Zukunfts­fonds beteiligen müssen, der auch selbstbe­stimmte, zivilgesellschaftlich organisierte Ent­wicklungsmöglichkeiten finanziert;
  • dass die heutigen Generationen ihren Ressourcen­verbrauch so organisieren müssen, dass zukünf­tige Generationen weiterhin auf der Erde gut le­ben können. Die heutige Ausbeutung der Roh­stoffe des Globalen Südens durch die transnatio­nalen Konzerne muss beendet werden. Ziel muss die gerechte Verteilung der Rohstoffe sein. Die na­türlichen Ressourcen sind Eigentum der Men­schen in den Ländern, in denen sie liegen, und nicht von privaten Konzernen und Investor*innen. Wenn solche Ressourcen abgebaut werden müs­sen, dann muss der Abbau so organisiert werden, dass dieser dazu beiträgt, Armut und Ausbeutung in den Ländern zu vermindern, in denen die Roh­stoffe abgebaut werden;
  • dass die notwendigen strukturellen Veränderun­gen zwischen Stadt und ländlichen Regionen ge­recht verteilt werden. Urbane Großräume sind großflächige ökologische Senken. Es ist deshalb nicht verantwortbar, die ökologischen Notwen­digkeiten allein auf die ländlichen Regionen ver­lagern zu wollen. Die urbanen Großräume müs­sen mit einer deutlichen Reduktion des Energie­verbrauchs – durch Wärmedämmung in den Häu­sern, durch den Ausbau von Solaranlagen auf den Dächern oder durch eine konsequente Verkehrs­wende – ihren Beitrag für den notwendigen Um­bau der Gesellschaft, weg von der kohlenstoffba­sierten Wirtschaftsweise, leisten. Durch öffentli­che Förderprogramme müssen die ländlichen Re­gionen unterstützt werden;
  • dass die Staaten des Globalen Nordens eine an humanitären und menschenrechtlichen Standards ausgerichtete Flüchtlingspolitik betreiben. Hierfür muss Klimaflucht als Tatbestand der Genfer Flücht­lingskonvention anerkannt werden und die Staaten des Globalen Nordens konkrete Hilfe für Be­troffene organisieren und mitfinanzieren;
  • dass beim notwendigen Umbau der Gesellschaft die besonderen Auswirkungen auf benachteiligte Menschen berücksichtigt werden und sozial Be­nachteiligte, Menschen mit Beeinträchtigungen oder ausgegrenzte und diskriminierte Bevölkerungs­gruppen keine weiteren Ausgrenzungen erfahren;
  • dass die Hauptverursacher*innen der Klimakrise deutlich mehr zur Sicherung der Pariser Klima­schutzziele beitragen müssen. Dies bedeutet, dass die Ausnahmen von der EEG-Umlage, die kos­tenfreie Verschmutzung der natürlichen Umwelt durch die großen transnationalen Konzerne und die ungehinderte Ausbeutung von Rohstoffen beendet werden. Eine wirksame und nachhaltige Klimapo­litik kann nicht durch Marktmechanismen er­reicht werden. Hier müssen endlich konsequente ordnungspolitische Regelungen zum Schutz des Klimas und der Umwelt erlassen werden;
  • dass die neoliberalen Freihandelsabkommen nicht weiterverhandelt werden, bestehende Freihandels­abkommen gekündigt und ein gerechter Handel zwischen den Regionen durchgesetzt wird. Der heutige neoliberale Freihandel ist ein wichtiger Verursacher von klimaschädlichen Treibhausgasen und trägt zur weiteren Ausbeutung der Menschen im Globalen Süden und der Arbeitnehmer*innen im Globalen Norden bei;
  • dass alle wirtschaftlichen Tätigkeiten an ökologi­schen und menschenrechtlichen Standards aus­gerichtet werden. Unternehmen, die Menschen­rechte nicht beachten, müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Hierfür müssen den Unterneh­men menschenrechtliche und umwelttechnische Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Wert­schöpfungskette verbindlich vorgeschrieben wer­den. Unternehmen, die im Ausland produzieren oder produzieren lassen, müssen zivilrechtlich für Menschenrechtsverstöße und Umweltzerstörung, auch ihrer Subunternehmen und Zulieferer, haf­ten. Für Betroffene muss es möglich sein, bei Men­schenrechtsverstößen im Ausland Klagen gegen Tochterunternehmen deutscher Konzerne vor deutschen Gerichten zu führen. Hierfür muss auch in Deutschland ein Unternehmensstrafrecht eingeführt werden, welches Strafverfahren gegen Unternehmen ermöglicht und Sanktionsmöglich­keiten in Form von angemessenen Geldstrafen vorsieht;
  • dass die Staaten des Globalen Nordens mindes­tens zwei Prozent ihres Bruttonationalproduktes für die Entwicklungsmöglichkeiten in den Staaten des Globalen Südens zur Verfügung stellen. Dies kann durch eine Reduzierung der Rüstungshaus­halte sofort umgesetzt werden;
  • die tatsächliche Beteiligung von jungen Menschen an Entscheidungsprozessen.

Für die NaturFreunde steht im Mittelpunkt ihrer po­litischen Forderung die Durchsetzung einer Klimapo­litik, die ökologisch und sozial gerecht ist. Deshalb werden die NaturFreunde für eine grundlegende Transformation des heutigen neoliberalen Kapitalis­mus eintreten. Die heutige Ausrichtung der Gesell­schaft zerstört das Klima, trägt maßgeblich zu einem nie dagewesenen Artensterben bei, zerstört die Bö­den und führt zu immer größeren sozialen Verwer­fungen in nahezu allen Gesellschaften.

Wir brauchen einen grundlegenden Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft,

  • weg von der kohlenstoffbasierten Ausbeutung der Natur;
  • weg von der Ausbeutung großer Teile der Gesell­schaft zugunsten einer kleinen reichen Elite;
  • weg von der Ausbeutung des Globalen Südens durch den Globalen Norden.

Die NaturFreunde fordern von der Bundesregierung:

  • Die Profiteur*innen und reichsten Teile der Ge­sellschaften endlich gerecht zu besteuern. Gutver­dienende haben einen deutlich größeren ökologi­schen Fußabdruck als sozial Benachteiligte. Kli­magerechtigkeit muss deshalb sozial gerecht or­ganisiert werden.
  • Einen schnellen und nachhaltigen sozialen und ökologischen Umbau der Industriegesellschaft. Hier­zu brauchen wir öffentliche Investitionen in ein öko­logisches Zukunftsprogramm. Hierfür müssen jähr­lich mindestens 100 Milliarden Euro in den Bundes­haushalt eingeplant werden.
  • Durch Arbeitszeitverkürzung, ökologischen Um­bau der Industriegesellschaft und die Sicherung und den Ausbau der sozialen und ökologischen Infrastruktur muss das Ziel von tarifvertraglich ab­gesicherter Vollbeschäftigung für Alle erreicht werden.
  • Eine deutliche finanzielle Stärkung der Kommu­nen und kommunalen Gebietskörperschaften zur Bekämpfung sozialer Ungleichheit und zur ökolo­gischen Sanierung sowie zum Umbau der regio­nalen Infrastruktur.
  • Die bisher nur unzureichend genutzten Potenziale an Energieeinsparungen und Effizienzsteigerun­gen in den Sektoren (Gebäudeenergieversorgung und energieintensive Industrie) müssen durch zu­sätzlich aufzulegende Anreiz- und sozialverträgli­che Unterstützungsprogramme aktiviert werden.
  • Verstärkt öffentlich finanzierte Förderprogramme zur Steigerung der Energiesuffizienz aufzulegen.
  • Eine konsequente Verkehrswende mit dem Ziel, aus der Produktion von Verbrennungsmotoren bis spätestens 2025 auszusteigen, bis spätestens 2035 muss der Verkehrsbereich klimaneutral werden.
  • Ein Investitionsprogramm für den Ausbau der Schieneninfrastruktur und der Infrastruktur für Rad- und Fußverkehr. Wir wollen einen Vorrang für Fuß- und Radverkehr und des öffentlichen Per­sonennahverkehrs in den Städten und Gemein­den. Der Bundesverkehrswegeplan muss hierfür grundlegend verändert werden. Kein Geld für den Neubau von Straßen! Konzentration der finanziel­len Mittel für den Ausbau der Bahn und der öf­fentlichen Nahverkehrssysteme.
  • Umbau der industrialisierten, ressourcen- und kli­maschädlichen Landwirtschaft hin zu einer öko­logisch ausgerichteten Landwirtschaft.
  • Eine konsequente Energiewende. Ausstieg aus der Kohleverstromung bis spätestens 2030. Förde­rung einer dezentralen und ökologischen Energie­erzeugung durch erneuerbare Energien. Energie­versorgung ist eine Leistung der Daseinsvorsorge. Sie gehört nicht in privates Eigentum, sondern in öffentliche Hand.
  • Wohnungen und Häuser klimagerecht sanieren. Vor allem die Siedlungsbauten der Nachkriegszeit müssen durch eine gezielte Förderung schnell ener­getisch saniert werden. Solche Sanierungen dürfen nicht zu Mieterhöhungen missbraucht werden, sondern gesetzlich vorgeschrieben werden.
  • Neben der Stromwende und der Verkehrswende insbesondere eine konsequente Wärmewende. Knapp 60 Prozent unseres Endenergiebedarfs ent­fallen auf Heizung und Warmwasser. Für die Ver­meidung der Klimakatastrophe ist ein zügiger Ausstieg auch aus der fossilen Wärmeversorgung durch Kohle, Öl und Gas erforderlich. Für diese Energiesystemwende sind individuelle Maßnah­men zu teuer, zu langsam und damit nicht ausrei­chend. Die bisherigen Einzelhausmaßnahmen müssen in großem Umfang durch gemeinschaftli­che Lösungen in Quartieren, Stadtteilen, Ortschaf­ten, Städten und Gemeinden ergänzt werden. Die Bundesregierung muss diesen Umbauprozess mit Anreiz- und Förderprogrammen unterstützen.
  • Eine tatsächliche Beteiligung junger Menschen in allen sie betreffenden Lebensbereichen, so wie in der UN-Kinderrechtskonvention festgelegt.

Die NaturFreunde werden

  • Informationsmaterialien und Flyer für die Orts­gruppen und Landesverbände erarbeiten;
  • im Rahmen der Umweltdetektive-Arbeit und in angestrebter Zusammenarbeit mit der Natur­freundejugend ein Arbeitspaket zum Thema Kli­magerechtigkeit entwickeln;
  • sich mit dem Zusammenhang von Klimakrise und europäischem Kolonialismus auseinandersetzen;
  • als Teil des Einsatzes für Klimagerechtigkeit deko­loniale Initiativen im In- und Ausland unterstüt­zen;
  • sich mit (Kolonial-)Rassismus als Legitimation der Ausbeutung das Globalen Südens historisch und aktuell in der Gesellschaft, aber auch innerhalb der eigenen Bewegung, konsequent und kritisch auseinandersetzen;
  • im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten die Na­turfreundehäuser klimagerecht gestalten und auf umweltschädliche Produkte weitestgehend ver­zichten;
  • sich aktiv an regionalen und landesweiten Bünd­nissen für Klimagerechtigkeit beteiligen;
  • zusammen mit ihren Partnerorganisationen in den Ländern des Globalen Südens internationale Kampagnen unterstützen, um Klimagerechtigkeit durchzusetzen;
  • ihre Aktivitäten so organisieren, dass sie an den Grundsätzen der Klimagerechtigkeit orientiert durch­geführt werden. Für entstandene Treibhausgase leisten die NaturFreunde einen Beitrag in den Natur­Freunde-Klimafonds, um eine Kompensation zu ermöglichen.

Verabschiedet vom 31. Bundeskongress der NaturFreunde Deutschlands, der vom 8.–10. Oktober 2021 in Falkensee bei Berlin tagte.

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