Corona-Impfstoffe für alle Länder freigeben!

Ein Beschluss des 31. Bundeskongresses der NaturFreunde Deutschlands

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie verletzlich menschliches Leben in der immer enger vernetzten Welt ist. Sie hat uns in aller Schärfe deutlich ge­macht, wie dünn die Schutzschichten geworden sind.

Sie hat uns auch deutlich gemacht, dass derartige Kri­sen eine Herausforderung an die Demokratie und Ge­meinsinn sind, ja sogar zu ihrer Einschränkung und Gefährdung werden können. In diesen Zeiten haben staatliche Stellen und auch wissenschaftliche Bera­ter*innen eine herausgehobene Bedeutung und Ver­antwortung. Das gilt auch für die Pharmaindustrie, die Impfstoffe herstellt.

Die Gesellschaft kann unter das Diktat von vermeint­lichen oder tatsächlichen Expert*innen geraten, wenn die allein aus ihrer Sicht die Vorgänge techno­kratisch bewerten und die Handlungsanweisungen bestimmen. Wir teilen nicht die Verschwörungstheo­rien, die zum Beispiel auch auf den Demonstrationen der Querdenker*innen vertreten werden. Im Gegen­teil: Das ist ein leichtfertiges und verantwortungslo­ses Gerede in einer existenziellen Krise der mensch­lichen Gesellschaft.

Dennoch darf die Gefahr eines Machtmissbrauchs nicht übersehen werden, zumal die Zahl der Bera­ter*innen und der Impfstoffproduzent*innen sehr eingeschränkt war. Patente der Impfstoffe, die mit er­heblichen öffentlichen Mitteln gefördert wurden, werden bis heute nicht als gemeinsames Gut der Menschheit verstanden, wobei die deutsche Bundes­regierung hierbei eine bremsende Rolle einnimmt. Auch werden Sozial- und Gesellschaftswissenschaft­ler*innen bis heute kaum in die Beratungen einbezo­gen. Wir bestreiten nicht die Kompetenz der Viro­log*innen, aber allein reicht das nicht aus, um kom­plexe Vorgänge zu bewerten.

Auch der Bundestag wurde längere Zeit an den Rand gedrängt durch die Konferenz aus Teilen der Bundes­regierung und der Ministerpräsident*innen der Län­der. Dadurch wurden Entscheidungen von kurzfristig ausgehandelten Mehrheiten bestimmt und zweifellos auch Fehler gemacht.

COVID 19 hat zudem gezeigt, dass die Warnungen früherer Corona-Ausbrüche wie SARS und MERS nicht ernst genommen wurden. Sie wurden ver­drängt, weil sie scheinbar weit weg waren. Vorsorge fand kaum statt. Das ist vor allem ein Versagen der Bundesregierung. Offenkundig gab es keine Vorsorge und Voraussicht. Die Politik wie aber auch die Mehr­heit der Medien liefen der Entwicklung hinterher. Da­bei tun sich durchaus Parallelen zur Klimakrise auf.

Corona hat die sozialen Unterschiede in der Gesell­schaft verschärft. Das gilt nicht nur national, sondern mehr noch im globalen Maßstab. Insbesondere der afrikanische, asiatische und lateinamerikanische Kontinent sind intensiv von der Pandemie betroffen, auch weil dort Autokraten die Probleme unverant­wortlich verharmlost haben und in diesen Ländern die Menschen weniger Möglichkeiten haben, sich schützen zu können.

Die NaturFreunde Deutschlands fordern, dass

  • der Deutsche Bundestag eine Enquete-Kommis­sion einsetzt, die unter möglichst breiter gesell­schaftlicher Beteiligung die Ursachen, Bearbei­tung und Folgen der Corona-Pandemie, auch un­ter Einbeziehung der Erfahrungen in anderen Län­dern, aufarbeitet, Fehler benennt und Empfehlun­gen für eine Verbesserung der staatlichen, öffent­lichen und wissenschaftlichen Vorsorge macht. Die Kommission muss auch aufzeigen, wie künftig
    • Arbeitsverhältnisse angesichts der Ausweitung digitaler Anforderungen und Möglichkeiten besser gesichert und sozialrechtlich gestärkt werden können;
    • Jugend-, Sozial- und Senior*inneneinrichtun­gen ihre Aufgaben unter dem bedrohlichen Au­ßendruck einer Pandemie besser wahrneh­men können;
    • die Infrastruktur der Bildungseinrichtungen so ausgestaltet wird, dass sie krisenfester wird;
    • die Gesundheits- und Sozialdienste angemes­sen ausgestattet und besser bezahlt werden.
       
  • sich der Bundestag intensiv damit beschäftigt, welche Konsequenzen aus der Corona-Pandemie für die Klimakrise und andere globale ökologische Gefahren in Deutschland, in der EU und weltweit zu ziehen sind.

  • die Patente für Corona-Impfstoffe weltweit freige­geben werden und die Staatengemeinschaft über die UNO dazu beiträgt, dass weltweit lokale Pro­duktionsstätten für Impfstoffe errichtet werden und die medizinische Infrastruktur verbessert wird.

  • es zu einer Weltinnenpolitik kommt, die eine Re­gionalisierung der Globalisierung vorantreibt, um gegen die globalen Gefahren und wirtschaftlich-finanzielle Macht ein größeres Gegengewicht zu schaffen und mehr Unabhängigkeit von den do­minierenden globalen Strukturen, insbesondere der Dominanz von Banken und Konzernen, zu er­reichen.

Verabschiedet vom 31. Bundeskongress der NaturFreunde Deutschlands, der vom 8.–10. Oktober 2021 in Falkensee bei Berlin tagte.