Neue Impulse aus dem „Haus der Demokratie“

Chance oder Ballast? Wie die Häuserarbeit im 21. Jahrhundert funktionieren kann

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Nach 105 Jahren Vereinstätigkeit sollte Schluss sein. Die NaturFreund*innen in Wetzlar waren gemeinsam gealtert und hatten zunehmend Schwierigkeiten, Außenstehende für den Verein zu gewinnen. Auch wollte niemand mehr Vereinsfunktionen übernehmen und das Naturfreundehaus in Wetzlar – zentral in der Innenstadt gelegen – wurde zu einer immer größeren Last. Also wurde die Selbstauflösung geplant, das Vereinsheim sollte an die Stadt gehen.

Wetzlar ist überall. In ganz Deutschland gibt es Ortsgruppen, die ihre Naturfreundehäuser als Last begreifen. Aus den unterschiedlichsten Gründen: Weil der Altersdurchschnitt steigt. Weil die Häuser abgelegen sind. Weil die Umsetzung der Brandschutzauflagen so teuer ist. Weil niemand mehr für den Urlaub Dritter putzen möchte. Mancherorts dreht sich das ganze Vereinsleben nur noch um den Erhalt des Hauses.

Dann kann die Verpachtung eine Lösung sein. Ortsgruppen berichten, dass plötzlich ungeahnte Kräfte frei wurden. Andere jedoch, dass Mitgliederzahlen sinken, wenn der Zugriff auf das Haus verloren geht.

Naturfreundehäusern sind freie Orte der Entfaltung

Denn sind die Naturfreundehäuser nicht Einrichtungen, um die die NaturFreunde beneidet werden? Viele Häuser liegen an touristisch attraktiven Orten, für die es heutzutage keine Baugenehmigung mehr gäbe. Wichtiger ist: Naturfreundehäuser sind selbst organisierte Stützpunkte und damit freie Orte der Entfaltung. Sie bieten geschützte Räume, zum Beispiel für politische Betätigung. Andere Vereine suchen genau so etwas.

Zurück nach Wetzlar: Dort engagieren sich politische Menschen schon seit Jahren gemeinsam gegen Rechts. Wäre das auch unter dem Dach der NaturFreunde interessant? Na, klar! Es kam zu Beitritten, die Selbstauflösung konnte abgewendet werden.

Nun soll das Wetzlarer Naturfreundehaus als „Haus der Demokratie“ wiederbelebt werden und der Stadt neue Impulse für ein solidarisches und generationenübergreifendes Miteinander geben. Und: Die NaturFreunde-Vereinsarbeit wird wieder aufgenommen.

Nur ein Beispiel, welche Chancen Naturfreundehäuser bieten. Wie Häuserarbeit im 21. Jahrhundert funktioniert, erzählen hier drei hauptamtlich Engagierte, das Ehrenamt wird folgen.

"Auch mal neue Wege gehen"

Von Rasmus Englisch (23), Leiter des Naturfreundehauses Feldberg (L 40), angestellt beim Landesverband Baden:

"Seit dem 1. September 2018 bin ich Hüttenwirt des Naturfreundehauses Feldberg. Die Betriebsabläufe habe ich bereits 2012 und 2013 kennengelernt, als ich mein Freiwilliges Ökologisches Jahr auf dem Feldberg absolvierte. Anschließend habe ich im Naturfreundehaus Bodensee (L 51) eine dreijährige Ausbildung zum Hotelfachmann gemacht und danach in Naturfreundehäusern des Landesverbandes Baden gearbeitet.

Mir macht es großen Spaß, Gäste zu betreuen, mit dem Team zu arbeiten und dann ist die Lage des Hauses mitten in der Natur natürlich fantastisch. Hausbesitzende Ortsgruppen sollten jungen Menschen die Chance lassen, auch mal neue Wege zu gehen."

"Jedes Haus bedarf eines individuellen Konzeptes"

Von André Grunert (38), der seit November 2016 mit seiner Frau Anja (41) das Naturfreundehaus Kniebis (M 54) pachtet:

"Meine Frau und ich wollten beruflich etwas tun, was uns glücklicher macht. Für die Arbeit im Naturfreundehaus Kniebis im Schwarzwald haben wir gute Jobs in der Stadt aufgegeben – und würden es wieder machen. Reich wird man so sicherlich nicht. Dafür trifft man interessante Menschen und hat viel Abwechslung.

Wer ein Naturfreundehaus pachten möchte, sollte sich vorher gut informieren. Denn jedes Haus ist anders und bedarf eines individuellen Konzeptes. Schaut euch verschiedene Häuserkonzepte an, sprecht mit den Betreibern, sammelt Eindrücke. Den Aufwand für Küche und Housekeeping darf man keinesfalls unterschätzen."

"Reizvoll ist auch eine regionale Vorbildfunktion"

Von Jan Lobik (36), Hausleiter des Naturfreundehauses Priwall (C 2) und angestellt bei der Ortsgruppe Lübeck:

"Als ich vor drei Jahren die Ausschreibung der Hausleitung für das Naturfreundehaus Priwall an der Ostsee las, dachte ich: Perfekt, hier könntest du deine Kenntnisse als Umweltwissenschaftler, Regionalentwickler und Bankkaufmann praktisch kombinieren. Genau so ist es gekommen.

Als Hausleiter bin ich für alle Betriebsbereiche wie Küche, Verwaltung, Marketing, Einkauf, Reinigung, Betriebswirtschaft und Konzeption verantwortlich. Zudem ist die Tätigkeit durch flexible Arbeitszeiten gut mit der Familie vereinbar. Reizvoll ist es auch, eine regionale Vorbildfunktion in den Bereichen Nachhaltigkeit, Sanfter Tourismus und soziales Engagement einnehmen zu können. Ich kann diesen Beruf nur empfehlen."

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79868 Feldberg
Übernachtungsplätze vorhanden
vollbewirtschaftet
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72250 Freudenstadt
Übernachtungsplätze vorhanden
vollbewirtschaftet
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23570 Lübeck-Travemünde
Übernachtungsplätze vorhanden
vollbewirtschaftet

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